Angst

Von der gesunden und der krankhaften Angst

Angst ist ein Teil unseres Lebens, der zwei Seiten aufweist. Auf der einen Seite sind Ängste überlebenswichtig und bewahren uns davor, gefährliche Situationen aufzusuchen und unsere Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Auf der anderen Seite können Ängste übermäßig stark werden, ohne erkennbaren Grund auftreten und das Leben einschränken. Diese krankhaften Ängste stellen nicht nur eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar, sondern führen auch zu weiteren Folgeproblemen im Privat- und Berufsleben. Es gilt somit, einen geeigneten Mittelweg zu finden, sich von den Ängsten nicht einschränken zu lassen, sondern die Angst als natürlichen Teil des Lebens zu verstehen, der uns schützt und auch Energie freisetzen kann.

Gesunde Ängste

Im Allgemeinen gibt es bestimmte Situationen, die häufig Angst auslösen, wohingegen andere kaum beängstigend sind. Im Sinne der sogenannten „preparedness“ sind Ängste vor großen Höhen, engen Räumen, großen Hunden und Spinnen weit verbreitet. In der Evolution des Menschen sind diese Ängste eine wichtiger Bestandteil, um Gefahren zu vermeiden. Auch die natürliche Sorge bei körperlichen oder psychischen Beschwerden kann dazu beitragen, rechtzeitig den Arzt oder Psychologen aufzusuchen, um diese Symptome abklären zu lassen und frühzeitig mit einer geeigneten Behandlung zu beginnen.

Krankhafte Ängste

Etwa jeder 5. Mensch hat Ängste, die das Leben einschränken und die Lebensqualität beeinträchtigen. Dazu gehören besonders Existenzängste, Angst unheilbar krank zu sein, Angst vor Kontrollverlust und Hilflosigkeit, Angst vor Einsamkeit und sozialer Isolierung, übermäßige Schüchternheit bis hin zur Angst vor sozialen Situationen, Angst nicht zu funktionieren oder nicht zu genügen, Angst Fehler zu machen, Angst vor Tieren, Angst vor Menschenansammlungen und öffentlichen Plätzen, Höhenangst und Platzangst. Diese Ängste sind gekennzeichnet durch übermäßige körperliche Unruhe und Anspannung, kombiniert mit belastenden, negativen Gedanken.

So kann ein Teufelskreis der Angst entstehen, bei dem zum Beispiel Herzrasen zu Angst vor einem Herzinfarkt führt, und dadurch in weiterer Folge das Herzrasen zunimmt. In einer psychophysiologischen Spirale (Körper-Psyche-Kopplung) werden körperliche Anspannung und negative Gedanken weiter aufgeschaukelt, bis eine Panikattacke entsteht.

Wenn bereits ein oder mehrmals solche Panikattacken aufgetreten sind, dann ist das Risiko für ein weiteres Auftreten erhöht. Es entwickelt sich eine Sensiblisierung und negative Erwartungshaltung. Im Sinne der „sich-selbst–erfüllenden-Prophezeiung“ schaukelt sich die Angst dann noch weiter auf.

Die verschiedenen Gesichter der Angst: Angstörungen

Panikstörung – Die Angst vor der Angst

Die Panikstörung – auch „Angst vor der Angst“ genannt – äußert sich durch wiederkehrende, unerwartet auftretende Panikattacken (Angstanfälle), die durch eine Reihe von körperlichen Symptomen begleitet sind.
Typischerweise treten innerhalb von wenigen Minuten starkes Herzklopfen, Druck auf der Brust, Schwitzen, Schwindel, Zittern, Kurzatmigkeit und andere Symptome auf, die oft so intensiv erlebt werden, dass die Angst vor einem Herzinfarkt oder umzufallen vorhanden ist (Todesangst). Nicht selten wird dann der Notarzt gerufen, wobei jedoch meist bereits das Eintreffen des Arztes zu einer Beruhigung führt und die Untersuchung im Allgemeinen keine körperliche Erkrankung ergibt.
Bei Panikattacken kommt es zu einem Teufelskreis der Angst, der zu einer Aufschaukelung der Symptome führt. Der Beginn kann in körperlichen Symptomen, wie Herzrasen oder Schwindel liegen oder auch in Befürchtungen, wie „hoffentlich tritt keine Panikattacke auf.“ Innerhalb von wenigen Minuten entwickelt sich dann der Teufelskreis der Angst, wobei sich körperliche Anspannung und negativen Gedanken wechselseitig aufschaukeln.
Der Teufelskreis der Angst
Die Panikstörung tritt bei ca. 2 – 3,5% der Bevölkerung einmal im Leben auf, wobei bei ca. 30-50% der Betroffenen auch eine Agoraphobie (Platzangst) vorhanden ist. Das erste Auftreten ist typischerweise im jungen Erwachsenenalter bis ca. zum 30. Lebensjahr.

Agoraphobie (Platzangst)

Die Agoraphobie – auch Platzangst genannt – bezeichnet die Angst vor verschiedensten Orten und Situationen, in denen das Gefühl vorhanden ist, eingesperrt zu sein, oder es besteht die Angst, dass im Notfall keine Hilfe verfügbar ist. Typische Situationen sind Kaufhäuser, Einkaufszentren, U-Bahn, Kino, Lift, enge Räume, große Plätze oder auch alleine zu Hause zu sein. Diese Situationen werden häufig gemieden (Fluchttendenz) oder mit großem Unbehagen ertragen.
Häufig ist eine Kopplung mit der Panikstörung vorhanden, wobei meist zunächst einzelne Panikattacken auftreten, die dann zur Vermeidung von jenen Situationen führen, in denen die Panik aufgetreten ist. Im Verlauf werden dann immer mehr Situationen gemieden, was im Extremfall bis zu völligem Rückzug und Isolation führt.
Die Agoraphobie tritt bei 5-6% der Bevölkerung auf, wobei bei 95% der Betroffenen auch eine Panikstörung vorhanden ist.

Sozialphobie

Die Sozialphobie bezeichnet die übermäßige Angst vor der kritischen Beurteilung durch andere Menschen. Es besteht die Angst davor, etwas falsch zu machen bzw. Angstsymptome zu zeigen (z.B. Erröten, Zittern). Dies wird unangenehm und peinlich empfunden, erzeugt Angst und körperliche Anspannung.
Die körperlichen Symptome sind ähnlich wie bei der Panikstörung (Herzklopfen, Schwitzen, Erröten, Kloßgefühl im Hals, etc.), sind jedoch nicht so massiv und treten nur in sozialen Situationen auf.
Häufige angstauslösende Situationen sind vor einer Gruppe zu sprechen, mit Autoritätspersonen sprechen, in der Öffentlichkeit zu essen, ein Gespräch zu beginnen, zu Einladungen und Partys zu gehen, etc. Aufgrund der Angst werden diese Situationen gemieden oder nur mit großem Unbehagen ertragen.
Die Häufigkeit schwankt je nach Untersuchungskriterien von 3-13%, wobei mehr als 20% (jeder Fünfte!) der Bevölkerung Angst vor öffentlichem Sprechen haben (z.B. einen Vortrag zu halten). Der Beginn liegt meist in der Kindheit und Jugend.

Generalisierte Angststörung

Die Generalisierte Angststörung (GAS) beschreibt die übermäßige Angst und Sorge in verschiedensten Situationen des alltäglichen Lebens, begleitet von körperlicher Unruhe (Nervosität, Kopfschmerz, Herzrasen, Schwitzen, psychosomatischen Beschwerden, etc.). Die Angst ist nicht auf bestimmte Situationen beschränkt, sondern geht von einer Situation auf die andere über. Häufig ist die Sorge um Beruf, Familie, Schulleistungen der Kinder, Krankheiten oder es sind finanzielle Sorgen vorhanden, obwohl kein objektiver Grund dazu besteht. Es wird das Schlimmste befürchtet.
Die Häufigkeit liegt bei 3-5% der Bevölkerung, wobei die meisten Betroffenen angeben, „schon immer übermäßig ängstlich“ gewesen zu sein.

Spezifische Phobien (Höhenangst, Prüfungsangst & Co)

Spezifische Phobien sind eng umschriebene Ängste, die nur eine bestimmte Situation betreffen.
Häufige spezifische Ängst sind:

  • Höhenangst
  • Flugangst
  • Angst vor Autofahren
  • Blutphobie (mit Ohnmacht bei Blut sehen)
  • Prüfungsangst
  • Angst vor Tieren (Hunde, Spinnen, etc.)
  • Spritzenangst

Die Ängste sind übertrieben stark ausgeprägt und führen im Allgemeinen zur Vermeidung dieser Situation bzw. zu großer Angst, wenn diese Situation eintritt.

Spezifische Phobien sind häufig vorhanden (ca. 10% der Bevölkerung), wobei viele Betroffene nur wenig dadurch beeinträchtigt sind, da durch ausgeklügelte Vermeidungsstrategien die Angst minimiert werden kann. Die Entstehung ist typischerweise in der Kindheit und Jugend bis Mitte der 20er.

Je nach Lebenssituation kann eine bereits längerfristig vorliegende Phobie subjektiv eine deutlichere oder geringere Beeinträchtigung im Alltag darstellen. So kann es sein, dass durch eine bevorstehende Prüfungssituation (Prüfungsangst) oder auch durch angstrelevante, zu überwindende Höhenmeter (Höhenangst) entsprechende Angstverstärkungen stattfinden.

Zwangsstörung

Bei der Zwangsstörung werden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen unterschieden. Wiederholte, sich aufdrängende Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die als störend und ungewollt erlebt werden, werden Zwangsgedanken genannt. Sie haben häufig einen negativen, bedrohlichen oder quälenden Inhalt und beziehen sich nicht auf Sorgen über tatsächliche Lebensprobleme. Da diese Gedanken Angst auslösen, versuchen sich die betroffenen Personen davon abzulenken.
Zwangshandlungen sind wiederholte Handlungen, die nach bestimmten Regeln oder stereotyp ablaufen, um eine vermeintliche Gefahr oder Unannehmlichkeit zu verhindern. Häufig sind Wasch-, Kontroll- oder Zählzwänge vorhanden. Wird den Impulsen nicht nachgegeben, kommt es meist zu einem steigenden Unbehagen bzw. zu Angst, verbunden mit körperlicher Anspannung. Die Durchführung dieser Zwangshandlungen kann viel Zeit in Anspruch nehmen und einen geregelten Tagesablauf stark beeinträchtigen.
Die Häufigkeit liegt bei ca. 2,5% der Bevölkerung, wobei der Beginn häufig in der Pubertät bzw. im jungen Erwachsenenalter liegt. Nicht selten ist eine Kombination von Zwangsstörung und Depression, wobei im Allgemeinen die Zwangsstörung die Ursache für die nachfolgende Depression ist.

Akute Belastungsreaktion und posttraumatische Belastungsstörung

Von akuter Belastungsreaktion spricht man, wenn durch eine außergewöhnliche körperliche oder seelische Belastung (Unfall, Naturkatastrophe, Krieg, Gewalt, Verlust eines nahestehenden Menschen, etc.) ein gemischtes Bild aus Angst, Depression, Ärger, Verzweiflung und Rückzug auftritt. Die Symptome sind dabei unterschiedlich stark und nach zwei bis drei Tagen nur mehr minimal vorhanden. Vergleichbare Begriffe sind psychischer Schock oder akute Krisensituation.
Wenn die oben genannten Beschwerden länger andauern, wird von der posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen. Die traumatische Situation wird auch noch nach Wochen und Monaten immer wieder erlebt („Flashback“, intensive Träume, etc.), wobei häufig ein Gefühl des Betäubtseins, der Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, eine depressive Stimmung und sozialer Rückzug vorhanden sind.

Wie kommt es zur Angsstörungen?

Die Ursachen von Angststörungen sind vielfältig und individuell sehr unterschiedlich. Im folgenden werden einige häufig vorhandene Bedingungen dargestellt, die das Risiko des Auftretens einer Angststörung erhöhen. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass meist mehrere Bedingungen zusammentreffen müssen, damit es zur Ausprägung einer bestimmten Angst kommt.
Bei den Ursachen können längerfristige Ursachen (die anfällig für Angst machen), auslösende Bedingungen und aufrechterhaltende Faktoren unterschieden werden.

Längerfristige Ursachen

Ungünstige Einflüsse in der Kindheit und Jugend sind oft wesentlich dafür, ob jemand im späteren Leben  bestimmte Ängste entwickelt. Eltern, die selbst ängstlich sind und ihr Kind vor einer vermeintlich gefährlichen Welt warnen, wiederholte Aussagen, wie „Sei vorsichtig; in der Dunkelheit ist es gefährlich; geh nicht in den Regen, sonst wirst du krank“ vermitteln dem Kind den Eindruck, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist und es gute Gründe gibt, sich Sorgen zu machen und Angst zu haben. Ein hoch ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis kann dazu führen, dass neue, unsichere Situationen vermieden werden, aus Angst dass etwas passieren könnte. Damit kann aber auch nicht gelernt werden neue, herausfordernde Situationen erfolgreich zu bewältigen.
Eltern, die übermäßig kritisch sind und hohe Standards vorgeben, bewirken, dass sich die Kinder der Akzeptanz durch die Eltern nicht sicher sind. Es werden vor allem die Leistungen des Kindes bewerten und nicht das Kind in seiner Persönlichkeit. Das Kind versucht, den Eltern zu gefallen und alles richtig zu machen, wodurch ein hoher Druck entsteht, der zu innerer Anspannung führt. Als Erwachsener kann dann ein übermäßiges Perfektionismusstreben vorhanden sein, das ständig einen selbstverursachten Stress erzeugt. Als Erwachsener kann die Person auch möglicherweise darauf bedacht sein, immer nett zu sein und anderen einen Gefallen zu tun. Nein zu sagen fällt dann schwer und führt dazu, dass man zuwenig auf die eigenen Bedürfnisse achtet.
In den ersten Lebensjahren sind Kinder sehr von den Eltern abhängig. Es ist die Zeit, in der Urvertrauen und auch Selbstvertrauen entwickelt wird. Aber auch Experimentierfreude und Neugierde sind hier wichtig. Bedingungen, die zu Unsicherheit führen (zu wenig Fürsorge; Kinder, die häufig auf sich selbst gestellt sind; problematische soziale Verhältnisse, etc.), können später zu Angststörungen oder anderen psychischen Problemen führen.
Wiederholte Kritik und Bestrafung für den Ausdruck von Gefühlen (wenn das Kind laut spricht, lacht, impulsiv reagiert, etc.) führt dazu, dass es die eigenen Gefühle unterdrückt. Dadurch wird mitunter nicht gelernt, mit Gefühlen von Angst, Ärger, Trauer oder auch Freude umzugehen. Diese starken Emotionen können im Erwachsenenleben als bedrohlich empfunden werden und zu Angst führen. Der Begriff Alexithymie („kein Wort für Gefühle“) ist hierbei von Bedeutung.
Mangelnde Förderung der Selbstsicherheit des Kindes kann zu einer Hemmung bei Sozialkontakten mit Gleichaltrigen in der Schule und später am Arbeitsplatz führen. Dadurch ist das Risiko für Schüchternheit und die Entwicklung einer Sozialphobie erhöht.

Andauernder Stress

Stress wird hier als jegliche Form der psychischen Belastung verstanden, die nicht oder nur ungenügend bewältigt werden. Folgende Stress-Situationen treten häufig auf: beruflicher Stress, Zeitdruck, Ärger mit Kollegen oder in der Familie, mangelnde Kontrolle über bestimmten Situationen, hohe Verantwortlichkeit, Überforderung und große belastende Lebensereignisse (Tod, Scheidung, etc.). Wenn Stress über längere Zeit hinweg andauert, ohne dass Erholungsphasen zwischendurch vorhanden sind, wächst die innere Anspannung und das Risiko für Angststörungen, andere psychische Störungen und psychosomatische Erkrankungen steigt.

Traumatische Erlebnisse

Besonders belastende Kindheitserlebnisse, wie Todesfälle in der Familie, Naturkatastrophen (Überschwemmung), Kriegserlebnisse und Gewalterlebnisse können zu Belastungen führen, die sich erst viele Jahre später in Form einer Angststörung manifestieren. Durch solche Ursachen können auch andere Beschwerden entstehen, wie z.B. Depressionen oder die posttraumatische Belastungsstörung.

Mangel an Lebenssinn

Wenn das Leben als wenig lebenswert empfunden wird, weil keine klaren Ziele und Aufgaben da sind (z.B. Familie, Erfolg im Beruf, bestimmte Hobbys) und positive Aktivitäten fehlen, ist das Risiko für Angststörungen erhöht.

Organische Ursachen

Organische Ursachen sind bei Angststörungen zwar selten, eine sorgfältige medizinische Abklärung vor Beginn einer Psychologischen Therapie ist aber wichtig.

Folgende organische (medizinische) Gründe gelten als Risikofaktoren für Angststörungen:

  • Hormonelle Probleme
  • Hyperventilation (zu rasche Atmung)
  • Hypoglycämie (Abfall des Blutzuckerspiegels durch ungünstige Ernährung, Stress, bestimmte Krankheiten)
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Mitralklappenprolaps (Klappe zwischen linkem Vorhof und Kammer schießt nicht genügend; führt zu Herzrasen)
  • Innenohrerkrankungen (kann zu Schwindel führen)
  • Akute Reaktionen auf Koffein oder Drogen
  • Entzug von Alkohol oder Beruhigungsmittel
  • etc.

Wir führen in der Praxis eine sorgfältige medizinische Analyse dieser organischen Gründe durch.

Auslösende Bedingungen

Auslösende Bedingungen sind jene Faktoren, die der Entstehung einer bestimmten Angststörung unmittelbar vorausgehen.

Der Teufelskreis der Angst

Bei einer Panikattacke kommt es meist zu einem Teufelskreis der Angst. Eine bestimmte Situation löst etwas Unbehagen aus, vielleicht eine Menschenmenge, eine lange Schlange an der Kassa im Supermarkt, oder ähnliches. Als natürliche Folge verspürt die Person Anspannung und Unruhe im Körper. Diese Unruhe wird dann beispielsweise als Herzklopfen oder auch Druckgefühl im Brustkorb wahrgenommen. Wenn nun keine „harmlosen“ Gründe für diese Empfindungen erkannt werden, dann kann unter bestimmten Umständen der Gedanke an einen Herzfehler oder Herzinfarkt auftreten. Vielleicht wurde ja gerade am Vortag ein Bericht im Fernsehen gesendet, in dem es um Herzkrankheiten ging. Dieser Gedanke fördert die Angst, die wiederum mehr Anspannung und Unruhe bewirkt, wodurch das Druckgefühl am Herzen noch stärker wird. So ensteht ein Teufelskreis, bei dem sich die Symptome aufschaukeln. Auch dann, wenn (wie in den allermeisten Fällen) keinerlei organische Krankheiten vorhanden sind. Was bleibt, ist die Panik, die dann oftmals zu einer Platzangst (Agoraphobie) führt.

Stresssituationen, die der ersten Panikattacke vorausgehen

Die erste Panikattacke wird häufig durch Stressereignisse ausgelöst, wie Verlust einer nahestehenden Person, Arbeitslosigkeit, Krankheit, finanzielle Probleme, bedeutsame Lebensveränderung, Wechsel der Schule oder der Arbeit, Wohnortwechsel, Heirat, ein Kind bekommen, (auch positive Lebensereignisse sind herausfordernd oder überfordernd), etc.
Eine Panikattacke, die z.B. in einem Kaufhaus zum ersten Mal auftritt, führt dazu, dass die Person Angst vor dieser Situation entwickelt. Eine Situation oder ein Ort, der zunächst neutral ist, wird angstbesetzt; es hat also eine Konditionierung, ein Lernprozess, stattgefunden. Das kann sich auch auf ähnliche Situationen übertragen. Als Folge werden diese Situationen/Orte gemieden, wodurch die Angst davor immer übermächtiger wird.

Traumatische Situationen

Viele spezifischen Phobien (z.B. vor Hunden, engen Räumen) werden durch traumatische Ereignisse ausgelöst. Folgende Beispiele sind häufig: Ein Kind, das von einm Hund gebissen wird; eine Person, die im Lift stecken bleibt und Panik bekommt; eine Person, die beim Schwimmen beinahe ertrunken wäre; Autounfall; Naturkatastrophen (Überschwemmung, etc.).

Anregende / aufputschende Substanzen

Die übermäßige Einnahme von Coffein (Kaffee, Schwarztee, Red Bull, etc.) und Drogen (v.a. Stimulantien) kann einen Angstzustand auslösen.

Organische Einflüsse

Organische Gründe für das Auftreten von Angststörungen wurden bereits weiter oben dargestellt. Als direkter Auslöser ist hier noch ein Abfall des Blutzuckerspiegels durch Diätmaßnahmen von Bedeutung. Jedes Jahr in der Fastenzeit erleben einige Menschen Panikattacken, die durch die Einschränkung der Nahrungsaufnahme ausgelöst wurden. Im Allgemeinen sind dabei noch andere Einflüsse, wie Stress vorhanden, die erst in Kombination die kritische Schwelle für Panikattacken überschreiten lassen.

Aufrechterhaltende Bedingungen

Aufrechterhaltende Bedingungen führen dazu, dass die Angst bestehen bleibt, auch wenn die ursprünglichen Auslöser (z.B. belastende Lebensereignisse) nicht mehr vorhanden sind.

Vermeidung der angstauslösenden Situationen

Die Vermeidung angstauslösender Situation tritt häufig bei der Agoraphobie, der Sozialphobie und spezifischen Phobien auf. Hier wird dann von der „Angst vor der Angst“ gesprochen, d.h. die Angst davor, dass wieder ein Angstzustand auftreten könnte. Durch die Vermeidung wird die Angst „übermächtig“ und es wird nicht gelernt, dass die Situation an sich nicht bedrohlich ist. Je länger bestimmte Situationen gemieden werden, umso schwieriger wird es für die Betroffenen, wieder in diese Situationen hineinzugehen.

Angsterzeugende Selbstgespräche

Gedanken und innere Selbstgespräche, wie z.B.: „Ich könnte wieder Panik bekommen“, „Was werden bloß die anderen Leute denken“, „Niemand ist hier, um mir zu helfen“, „Ich bin dem hilflos ausgeliefert“, „Ich könnte einen Herzinfarkt bekommen“ führen dazu, dass der Teufelskreis der Angst weiter angetrieben wird und sich die Angst immer weiter verstärkt. Auch sogenannte irrationale Überzeugungen, wie „Die Welt ist gefährlich“, „Ich darf mir keine Fehler erlauben“, „Es steht mir nicht zu, einmal nichts zu tun“, „Andere Menschen sind feindselig“, „Alle Hunde sind gefährlich“, etc. führen zu einer Aufschaukelung des Angst-Teufelskreises.

Bei den angsterzeugenden Selbstgesprächen wird wirkungsvoll mit der Kognitiven Umstrukturierung angesetzt.

Unterdrückte Gefühle

Wenn Gefühle wie Ärger, Frustration, Traurigkeit oder auch Freude unterdrückt werden, kann eine sogenannte frei-flottierende Angst entstehen, eine Angst ohne genau zu wissen wovor.

Selbstunsicherheit

Selbstunsicherheit führt dazu, dass die eigenen Gefühle, Wünsche oder auch Beschwerden zu wenig ausgedrückt werden und dadurch das Gefühl entsteht, keinen Einfluss auf seine Umgebung zu haben. Hilflosigkeit, Frustration und körperliche Anspannung entstehen dadurch und können auch hier den Teufelskreis der Angst in Gang setzen.

Mangelnde Berücksichtigung eigener Bedürfnisse

Wenn zu wenig auf die eigenen Bedürfnisse, wie Erholung und Genuss geachtet wird, kann es zu einer psychischen und körperlichen Überforderung kommen und Angstzustände können ausgelöst werden bzw. weiterbestehen. Ein stressreicher Lebensstil ist hier ganz besonders kritisch.

Körperliche Anspannung

Körperliche Anspannung durch Stress, Fehlhaltungen (Muskelverspannung) oder ein ungünstiges Atemmuster (z.B. Hyperventilation) stellt selbst wieder eine Stress-Situation dar, in der das Wohlbefinden beeinträchtigt ist, oder Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, etc. entstehen. Sowohl die direkten Stresswirkungen als auch die Folgeprobleme führen zu einer Verstärkung der Angstbeschwerden.

Anregende Substanzen

Anregende Substanzen, wie Koffein oder bestimmte aufputschende Medikamente sind häufig bei Angstpatienten zu finden.

Psychologische Therapie

Die psychologische Therapie besteht aus verschiedenen Ansätzen, die in Abhängigkeit von den individuellen Problemen maßgeschneidert zum Einsatz kommen. Besonders bewährt haben sich Methoden aus der Klinischen Psychologie, die den Patienten in die Lage versetzen, die Angst selbst zu bewältigen (bewältigungsorientierte Therapie). Dabei werden erfolgreiche Ansätze aus der Verhaltenstherapie, Kognitive Umstrukturierung, Gesprächspsychotherapie, Biofeedback, Hypnose und Entspannungsverfahren kombiniert und ein optimales individuelles Therapieprogramm erstellt.

In einigen Fällen ist es darüber hinaus sinnvoll, die Entstehung der Ängste sorgfältig zu analysieren, um bestimmte Lebensprobleme zu identifizieren, die für die Angst verantwortlich sind (klärungsorientierte Therapie). Diese – häufig unbewussten – Probleme werden in der Therapie dann bewusst gemacht (aufgearbeitete) und damit einer Lösung zugeführt. Die Hypnose hat sich dabei sehr bewährt.

Medizinische Therapie

Die Kombination der psychologischen Therapie mit medikamentöser Therapie ist vor allem bei stark ausgeprägten Ängsten sinnvoll, um eine möglichst rasche Erleichterung zu erreichen. Dabei hat sich die gemeinsame Therapieplanung mit dem behandelnden Arzt bewährt.
Besonders bei mittelstarken bis starken Ängsten kann eine medikamentöse Therapie oder die Einnahme von Aminosäuren eine deutliche Linderung der Ängste bewirken. Dadurch kann dann noch besser mit den psychologischen Methoden angesetzt werden.

Selbsthilfe- Strategien

  • Informieren Sie sich möglichst umfassend zum Thema Angst und Angstbehandlung. Je mehr Sie über sich und die eigenen Ängste erfahren, umso besser können Sie damit umgehen.
  • Achten Sie darauf, sich nicht zu isolieren und zurückzuziehen. Die Vermeidung der ängstigenden Situationen täuscht nur eine vorübergehende Erleichterung vor und führt zu einer Verschlimmerung der Beschwerden!
  • Versuchen Sie nicht durch Beruhigungsmittel oder Alkohol die Angst zu reduzieren. Es besteht eine große Gefahr der Abhängigkeit und langfristigen Verschlechterung der Beschwerden.
  • Denken Sie daran, dass Ängste „nur“ übersteigerte Stressreaktionen des Körpers sind, die an sich nicht gefährlich sind.
  • Tun Sie sich jeden Tag etwas Gutes, planen Sie angenehme Aktivitäten, um sich abzulenken und wieder Energie zu tanken.
  • Lernen Sie ein Entspannungstraining (Biofeedback, Atementspannung, etc.) und führen Sie die Entspannung regelmäßig durch. Bei leichten Angstzuständen kann bereits dadurch eine deutliche Besserung erreicht werden. Bei Panikattacken sollte Entspannung jedoch mit einer psychologischen Therapie kombiniert werden. Entspannung alleine kann bei einigen Personen mit Panikattacken durch die verstärkte Wahrnehmung des Körpers zunächst auch Angst auslösen. Wenn man weiß, wie die Entspannung am besten eingesetzt werden kann, wird die bestmögliche Wirkung entfaltet.
  • Wenn die Selbsthilfe-Strategien nicht den gewünschten Erfolg erbringen, sollten Sie überlegen, einen Klinischen Psychologen aufzusuchen. Je früher die psychologische Therapie ansetzt, umso rascher stellt sich der Erfolg ein. Eine Abklärung möglicher organischer Ursachen sollte zu Beginn beim Hausarzt oder Facharzt erfolgen.

Ratgeber- Tipps:

Mein Weg in die Entspannung von Dr. Norman Schmid (2013)

Nicht immer denken. Die Kraft von Achtsamkeit, Stille und Konzentration (2014)

CD Progressive Muskelentspannung & Co. von Dr. Norman Schmid (2012)