Neurofeedback ist viel mehr als Placebo!

Zusammenfassung von Dr. Norman Schmid

In der wissenschaftlichen Literatur wird immer wieder die Frage gestellt, ob Neurofeedback ein high-tech-Placebo ist. Dazu gab es vor kurzem eine angeregte Diskussion auf Brain – Journal of Neurology. In einer Studie von Schabus et al. (2017) an der Universtät Salzburg zum Thema Neurofeedback bei Schlafstörungen wurde eine SMR-Neurofeedback Gruppe mit einer Sham-Neurofeedback Gruppe verglichen. Bei letzterer wurden bei jeder Sitzung zufällige Frequenzen (aber nicht SMR) trainiert. Aus verschiedenen Vorstudien (auch von der Universität Salzburg) wurde die Wirkung von SMR-Neurofeedback (12-15Hz) zur Förderung der Schlafqualität und der Konzentrationsleistung bestätigt. Bei der aktuellen Studie kam es zu einem Neurofeedback-Lerneffekt bei beiden Gruppen, jedoch zu keinem signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Bedeutet das, dass Neurofeedback nicht wirkungsvoller als Placebo ist?

Neurofeedback ist viel mehr als Placebo. So sorgfältig die Studie von Schabus und Mitarbeitern durchgeführt wurde, führt die Schlussfolgerung doch in die Irre, wie Witte et al., 2018 als Replik in Brain zusammenfassen.

Einführend ist wichtig festzuhalten, dass bisher viele methodisch sorgfältige Studien zu Neurofeedback bei verschiedenen Störungen und Indikationen durchgeführt wurden, die die Wirksamkeit bestätigt haben. Einen Überblick hat Norman Schmid in der Präsentation Neurofeedback, QEEG und Biofeedback – wann macht was Sinn. bei der Fachtagung Biofeedback und Neurofeedback Update 2019 in St. Pölten gegeben. Die Präsentation fasst die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der American Association for Biofeedback and Psychophysiology (AAPB) von 2016 zusammen, die die Wirksamkeit für Biofeedback und Neurofeedback für verschiedene Indikationen untersuchte.

Der Hauptkritikpunkt von Witte et al. (2018) betrifft die Definition von Placebo. Die ursprüngliche Definition von Placebo beschreibt unspezifische Effekte durch ein Leer-Präparat, ein Medikament, das keinen Inhaltsstoff hat. Neurofeedback hingegen beinhaltet deutliche psychologische Faktoren, wie Kontrollüberzeugungen, Lernstrategien und Motivation. Bei Selbstregulations-Therapien, wie Neurofeedback, stellen diese Faktoren wesentliche Bestandteile dar und können keineswegs als Placebo bezeichnet werden. Placebo-Pillen sind passive Maßnahmen, Neurofeedback hingegen ist eine sehr aktive Therapiemethode, die nur durch die Mitarbeit des Patienten eine Wirkung entfalten kann. Placebo stellt nur eine simple Form des Lernens dar, wie eine klassische Konditionierung (zur Erinnerung: Pawlow´scher Hund, der nach mehrmaliger Kopplung von Essen und Glocke mit einem Speichelfluss auch alleine auf die Glocke reagiert.).

Ein Sham-Neurofeedback mit der Auswahl von verschiedenen EEG-Frequenzen hat wesentliche Gemeinsamkeiten zu einem echten Neurofeedback: ein aktiver Lernprozess, die Erarbeitung einer Strategie, das Erfolgserlebnis bei willentlicher Kontrolle. Witte et al. konnten in eigenen Studien zeigen, dass das Kontroll-Netzwerk im Gehirn, das für den Neurofeedback Lernerfolg verantwortlich ist, bei echtem Neurofeedack und Sham-Neurofeedback eine hohe Überlappung aufweist. Das bedeutet, dass bislang eine klare Unterscheidung der neuronalen Prozesse nicht möglich ist; zu komplex ist das menschliche Gehirn. Neurofeedback, unabhängig von den Frequenzen, aktiviert die Selbstregulation mit all den positiven Konsequenzen, die wir bei einem Therapieverfahren erwarten.

Weiters ist an der Aussage von Schabus et al. zu kritisieren, dass ein mangelhafter Effekt bei den EEG-Messungen vorhanden war, im besonderen kein Anstieg von SMR (12-15Hz) über verschiedene Sitzungen. Witte et al. konnten jedoch in verschiedenen Studien eine EEG-Selbstkontrolle innerhalb der Sitzungen bestätigen. Das bedeutet, dass die Patienten eine Selbstregulation des EEG lernten. Diese unmittelbare Regulationsfähigkeit, genau dann, wenn es für eine Aufgabe erforderlich ist, wird als zentraler Lerneffekt bewertet. „… we propose that the nature of neurofeedback learning is reflected in achieving an immediate regulation ability.“ (Witte et al., 2018) Und weiter: „What neurofeedback users might learnist to quickly self-regulate brain activations with less conscious cognitive effort.“

In der eigenen praktischen Arbeit mit Biofeedback über mehr als 25 Jahre und mit Neurofeedback seit 13 Jahren können die Ausführungen von Witte et al. bestätigt werden. Besonders bei Neurofeedback zeigt sich häufig ein Lerneffekt innerhalb der Sitzungen, das bedeutet, dass die Patienten lernen, ihre Gehirnwellen (Theta, SMR, Alpha, Beta) zu kontrollieren und in Richtung des Ziels zu verändern. Ein Lerneffekt über die Sitzungen ist insofern vorhanden, als die Gehirnwellen rascher und deutlicher kontrolliert werden können. Die Baseline (der Ruhezustand vor dem Training) weist häufig keinen Unterschied auf. Die Patienten berichten jedoch, dass es ihnen gelingt, sich in den Situationen des Alltags besser kontrollieren zu können. Bei ADHS ist dies eine bessere Konzentrationsfähigkeit mit Reduktion von Theta (4-8Hz), bei Ängsten eine Reduktion von Unruhe und Gedankenkreisen mit Verminderung von hiBeta (21-30Hz), bei Burnout eine Förderung von Ruhe und Gelassenheit mit Erhöhung von Alpha (8-12Hz), um nur einige zu nennen.

Weiters muss berücksichtigt werden, dass bei wissenschaftlichen Studien ein allgemeines Vorgehen für alle Probanden verwendet wird (eine Methode für alle). „One size fits all“ ist jedoch therapeutisch nicht sinnvoll und natürlich auch nicht mehr zeitgemäß, sprechen wir doch mittlerweile von einer personalisierten Medizin und Therapie. In der Praxis verwenden wir ein individualisiertes, maßgeschneidertes Vorgehen („personalisierte Therapie“. Bei Neurofeedback wird hier besonders das QEEG (quantitatives EEG) verwendet, mit dem es möglich ist, individuelle Auffälligkeiten festzustellen und den Neurofeedback-Therapieplan entsprechend anzupassen. Die Praxis zeigt dadurch eine deutlich höhere Wirksamkeit und auch einen schnelleren Lerneffekt. Waren früher mehr als 40 Einheiten Neurofeedback bei ADHS keine Seltenheit, sind mit entsprechender Diagnostik und maßgeschneiderter Therapie oftmals innerhalb von 15-20 Einheiten sehr gute Therapieerfolge vorhanden.

Zusammengefasst ist Neurofeedback deutlich mehr als Placebo!

Weitere Infos:

Neurofeedback

 

QEEG-Assessment und Brainmapping-Analyse

 

Fachtagung Biofeedback und Neurofeedback Update 2019

 

Neurofeedback Curriculum