21 Lektionen für das 21. Jahrhundert

Rezension zu „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert.“ von Yuval Noah Harari

 

„Yuval Noah Harari, einer der aufregendsten Denker der Gegenwart, erzählte in seinen ersten beiden Büchern vom Aufstieg des Homo Sapiens zum Herrn der Welt und von der Zukunft unserer Spezies. Nun schaut er auf das Hier und Jetzt und widmet sich den drängenden Fragen unserer Zeit.“ (aus dem Klappentext)

In 21 Kapiteln geht Harari auf die wichtigsten Themen der Gegenwart ein, und gliedert diese in fünf große Bereiche, die technologischen Herausforderungen, die politischen Herausforderungen, Verzweiflung und Hoffnung, Wahrheit und Resilienz. Dabei wird auch das Thema der Klima- und Umweltkrise kritisch beleuchtet.

Er versteht es meisterhaft, den Leser mit auf eine Reise des Denkens zu nehmen, einen geschärften Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart zu lenken und bisherige Glaubenssätze zu hinterfragen. Damit lüftet er auch den Schleier der Täuschung, der über manchen Themen liegt.

Bereits in der Einleitung geht er auf die Problematik der Digitalisierung ein. „Die Verschmelzung von Infotech und Biotech könnte schon bald Milliarden von Menschen aus dem Arbeitsmarkt drängen und sowohl Freiheit wie Gleichheit untergraben. Big-Data-Algorithmen könnten digitale Diktaturen schaffen, in denen sich die gesamte Macht in den Händen einer winzigen Elite konzentriert, während die meisten Menschen nicht unter Ausbeutung zu leiden haben, sondern unter etwas viel Schlimmerem – unter Bedeutungslosigkeit.“ (S. 16)

Bei der technologischen Entwicklung werden sowohl die Vorteile als auch Problematiken aufzgezeigt. Dabei schlägt er eine Brücke zur Klimakrise und Umweltproblematik, die heutzutage eines der vorherrschenden Themen ist. „Die Menschen waren schon immer weitaus besser darin, Instrumente zu erfinden, als sie klug zu nutzen. Es ist leichter, einen Flußlauf zu regulieren, indem man einen Damm baut, als all die komplexen Folgen vorherzusagen, die das für das allgemeine Ökosystem haben wird.“
„In der Vergangenheit haben wir die Macht erlangt, die Welt um uns zu manipulieren und den gesamten Planeten umzugestalten, aber weil wir die Komplexität der globalen Ökologie nicht verstanden haben, haben die Veränderungen, die wir vornahmen, das gesamte Ökosystem unabwendbar zerstört, und heute stehen wir vor einem ökologischen Kollaps.“ (S. 31)

Die immer rascheren Veränderungen unseres Lebens führen auch zu neuen Problemen der Anpassungsfähigkeit des Menschen, was bereits jetzt zu einer Krise der Beschäftigung geführt hat und sich noch weiter zuspitzen wird. Nicht nur die Digitalisierung und Robitik ersetzen viele Jobs, sondern auch die Fähigkeit des Menschen, mit diesen Veränderungen Schritt zu halten. „Selbst wenn wir fortwährend neue Jobs erfinden und Arbeitskräfte umschulen könnten, müssen wir uns fragen, ob der durchschnittliche Mensch das emotionale Durchhaltevermögen besitzt, das man für ein Leben mit solchen unablässigen Umwälzungen braucht. Veränderug ist immer mit Belastungen verbunden, und die hektische Welt des frühen 21. Jahrhunderts hat zu einer globalen Stressepidemie geführt. Wenn die Volatilität des Arbeitsmarktes und der individuellen Lebensläufe weiter zunimmt, werden die Menschen das verkraften? Wir brauchen vermutlich weitaus effektivere Stressbewältigungsmethoden – die von Medikamenten über Neurofeedback bis Meditation reichen -, um zu verhindern, dass der Kopf des Sapiens schlapp macht.“ (S. 70-71)

Wie an diesem Beispiel deutlich wird, geht Harari nicht nur auf die Probleme unserer Zeit ein, sondern zeigt auch Ansatzpunkte und Lösungsmoglichkeiten auf. Dies macht er nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Bedacht und Demut. So beschreibt er in einem Kapitel, dass er sich nicht anmaßen würde, einer alleinerziehenden Frau in prekären Beschäftigungsverhältnissen Ratschläge zu geben, vielmehr sei er es, der von dieser Frau lernen könne.

Da viele unserer heutigen Probleme mit dem technologischen und digitalen Forschritt zusammenhängen, wird deutlich, dass es auch Schulung des menschlichen Bewusstseins braucht, um mit dem Neuen umgehen zu können und nicht in eine Apokalypse hineinzusteuern, wie diese in Science Fiction Filmen, wie Terminator oder Matrix ausgemalt wird. „Um solche Ergebnisse zu vermeiden, wäre es klug, für jeden Dollar und jede Minute, die wir in die Verbesserung künstlicher Intelligenz investieren, einen Dollar und eine Minute in die Förderung menschlichen Bewusstseins zu stecken.“ (S. 127)

Damit neue Lösungen für die die bekannten und neue Probleme gefunden werden können, damit neue Wege begangen werden können, braucht es auch Zeit und Muße. Stress und Zeitdruck waren noch nie die besten Ratgeben für kreative Prozesse. „Doch wenn man sich eingehend mit einem Thema befassen will, braucht man viel Zeit, und vor allem braucht man das Privileg, Zeit verschwenden zu können. Man muss mit unproduktiven Wegen experimentieren, Sackgassen erkunden, Raum für Zweifel und Langeweile zu schaffen und zuzulassen, dass kleine Samen der Erkenntnis nur langsam gedeihen und blühen.“ (S. 343)

Zusammenfassend können wir eine wärmste Empfehlung für „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ von Harari geben. Ein Buch, das in einem anregenden Schreibstil zum Nachdenken animiert und Lust darauf macht, Themen und Probleme von verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Es lohnt sich auch, bestimmte Textpassagen herauszustreichen und wiederholt zu lesen, damit die Erkenntnisse gedeihen und blühen können.

Yuval Noah Harari (2020). 21. Lektionen für das 21. Jahrhundert. München: C.H. Beck.

Verfasst von Norman Schmid