Hypnose und Biofeedback bei Reizblase

Die Neu-Programmierung des Körpers durch Hypnose und Biofeedback.

Reizblase

Bei einer Reizblase, auch „überaktive Blase“ genannt, kommt es meist zu überfallsartigem Harndrang, bei gleichzeitig wenig gefüllter Blase bzw. geringer Urinmenge. In den allermeisten Fällen lässt sich für diese verstellte oder fehlerhafte Rückmeldung des Nervensystems an die Blase keine organische Ursache finden. Es sind ca. 10-15 Prozent der Frauen und Männer davon betroffen, wobei eine überaktive Blase am häufigsten bei Frauen im Altern von 30 bis 50 Jahren auftritt.

Betroffene verspüren oft einen deutlichen Leidensdruck, da die Symptome der Reizblase einem Harnwegsinfekt sehr ähnlich sind und es zu häufigem Aufsuchen von Toiletten kommt (bei vielen mehr als 8 Mal täglich). Die  Angst vor Inkontinenz ist häufig, auch wenn diese nur selten auftritt. Die mehrmals täglichen WC-Gänge zeigen sich für viele Betroffene stark problem- und angstbesetzt, da beispielsweise beim Sport oder Arbeiten die fehlerhafte Rückmeldung Unterbrechungen und Einschränkungen darstellt.

Ganz ähnlich wie bei einer Reizdarm-Symptomatik, steht auch bei der Reizblase zu Beginn eine medizinische Diagnostik an erster Stelle, um mögliche neurologische oder organische Ursachen ausschließen zu können. Neben sekundären Formen wie Entzündungen, können auch oftmalige Harnwegsinfekte oder psychische Belastungen das Entstehen einer Reizblasen-Symptomatik begünstigen.

Mögliche Symptome bei einer Reizblase

  • häufiger Harndrang & Toilettengang
  • häufiges Gefühl, ähnlich eines Harnweginfektes
  • häufiges Gefühl von Urinieren müssen, bei geringer Urinmenge
  • Inkontinenz-Vorfälle oder Angst vor Inkontinenz
  • ständige Gedanken an den Harndrang
  • Unterbrechungen durch häufige WC-Gänge
  • Schamgefühle und Leidensruck durch die Beschwerden
  • Vermeidungsverhalten und Rückzug, wie z.B. das Vermeiden von Tätigkeiten oder Unternehmungen, wo nicht unmittelbar eine Toilette verfügbar ist

Biofeedback und Hypnose

Zur ergänzenden medizinischen Therapie der Reizblase gibt es neben Blasentraining und Beckenbodengymnastik auch die Möglichkeit mit Biofeedback-Training hinsichtlich einer Reizblasen-Symptomatik anzusetzen. Mit Hilfe einer Sonde kann trainiert werden, wieder mehr Einfluss auf das Anspannen und Lockern der Beckenbodenmuskulatur zu erreichen. Dies dient auch einer verbesserten Kontrolle im Umgang mit dem fehlerhaft rückgemeldeten Harndrang. Der Vorteil des Biofeedback ist das Sichtbarmachen der Spannung des Beckenbodens über einen Bildschirm, wodurch ein rascher Lernfortschritt erreicht wird.

Eine weitere, sehr wirkungsvolle Möglichkeit stellt die Hypnose dar. Im Trance-Zustand, der durch die Hypnose erreicht wird, kann ein Zugang zum Körper hergestellt werden, in dem es gelingt, die „Fehlprogrammierung“ der Blase wieder zu korrigieren. Meistens führen bereits wenige Einheiten Hypnose zu einer deutlich Verbesserung der Symptomatik und zu einem verstärkten Vertrauen in den eigenen Körper.

Fallbeispiel

Eine junge Frau mit 30 Jahren suchte unsere Praxis wegen einer sehr stark ausgeprägten Reizblase auf. Die Beschwerdestärke wurde auf der 10stufigen Skala mit 8-9 angegeben. Der Leidensdruck war extrem stark, bei der Anamnese muss die Patientin auch öfter weinen. Die Verzweiflung war umso stärker ausgeprägt, als wenige Wochen zuvor auch ein Bandscheibenvorfall aufgetreten ist, der mit starken Schmerzen verbunden war. Die Rückenschmerzen konnten konservativ (ohne Operation) gut behandelt werden, die Reizblase wurde jedoch von Woche zu Woche stärker.

In unserer Praxis haben wir zu Beginn eine ausführliche medizinische und klinisch-psychologische Diagnostik durchgeführt. Die medizinische Diagnostik konnte organische Einflüsse (z.B. Nervenschädigung im Rückenmark durch den Bandscheibenvorfall) ausschließen. Mit einer Abbildung der Nervenversorgung der Blase konnte deutlich gemacht werden, dass die Steuerung der Blase von einem anderen Rückenmarksabschnitt versorgt wird, als das betroffene Gebiet des Bandscheibenvorfalls. Das führte unmittelbar zu einer Reduktion der Belastung.

In der klinisch-psychologischen Diagnostik konnte eine erheblicher Leidensdruck festgestellt werden. Als Hintergrund und Einflussfaktoren für den Bandscheibenvorfall und die Reizblase konnten verschiedene psychosoziale Belastungen, wie anderer körperliche Erkrankungen im Vorjahr, erhöhter Stress in der Arbeit und auch private Stressoren festgestellt werden. Zudem war eine ungünstige mentale Fokussierung auf das Problem Reizblase vorhanden. Dies führte zu einem Schon-und Vermeidungsverhalten. Bereits bei geringem Harndrang ging die Patientin auf die Toilette, was zu einer weiteren „Fehlprogrammierung“ der Blase führte. Auch die massiven Ängste führten zu einem verstärkten Harndrang. Dies konnte auch psychophysiologisch (Körper-Psyche-Wechselwirkung) veranschaulicht werden, da bei Angst der Körper in einen „Alarmmodus“ umschaltet, der zu mehr Harndrang führt. Man kennt dies auch bei Prüfungsangst.

Als psychologische Diagnose konnte eine somatische Belastungsstörung festgestellt werden. Diese Diagnose beschreibt körperliche Beschwerden, die keine organische Ursache aufweisen, jedoch einen deutlichen Zusammenhang mit psychosozialen Stressoren und ungünstigen Verarbeitungsprozessen aufweisen. Dabei sind Teufelskreise von Symptomwahrnehmung – verstärkter Aufmerksamkeitszuwendung – Ängste – ungünstige Verhaltensweisen (z.B. häufiger Toilettengang) – weitere Symptomverstärkung vorhanden.

Über diese Informationen zu den Psyche-Körper-Wechselwirkungen konnte der Patientin eine Erklärung für die Reizblase gegeben werden. Als Ansatzpunkt wurde neben der Vermittlung des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells (Alternative zu dem rein organmedizinischen Krankheitsmodell) auch Hypnose angeboten. Die Patientin konnte gut in die Hypnose und den Trance-Zustand einsteigen. Zunächst wurde ein Wohlfühl-Ort aufgesucht, ein Ort, an dem sich die Patientin ganz wohlfühlt und alle Sorgen und Beschwerden vergessen konnte. Dies führte bereits zu einer Verbesserung der Stimmung und sie konnte während der Hypnose auch auf die Reizblase vergessen.

In einer weiteren Sitzung wurde eine Transformation der Beschwerden durchgeführt. Dabei wurde die Patientin im Trance-Zustand aufgefordert, dem Symptom Reizblase eine Form und Farbe zu geben. Die Patientin entwickelte automatisch (aus dem Unbewussten) ein Bild einer Orange, die der Reizblase zugeordnet wurde. Dann wurde sie aufgefordert, die Orange verändern zu lassen. Auch dies war wieder einer automatischer Prozess, der keine bewusste Entscheidung erforderte. Es entwickelte sich das Bild der Orange, die aufgespalten wurde, in immer kleinere Teile, die sich zunehmend auflösten und zum Schluss kaum mehr erkennbar waren. Gleichzeitig fühlte sie, wie die Beschwerden der Reizblase immer geringer wurden und sie sich deutlich wohler fühlte.

Die Hypnose-Sitzungen hatte die Patientin auch mit dem Smartphone aufgenommen und zu Hause täglich Selbsthypnose-Einheiten durchgeführt. Bereits nach wenigen Wochen hatte sich die Beschwerdestärke deutlich verringert, von ursprünglich 8-9 auf 4 und dann auf 1-2. Gleichzeitig konnte die Patientin deutlich längere Pausen zwischen den Toilettengängen einlegen. Wo sie zuvor alle 45 Minuten auf das WC gehen musste, konnte sie zum Schluss auch 3 Stunden vor dem nächsten Toilettengang warten. Insgesamt konnte dadurch das Wohlbefinden deutlich gesteigert werden und sie konnte auch wieder alle Aktivitäten ausführen, die ihr wichtig waren.